Janis Löhrer
Herrenwäsche
PALACE
02.02.2024–29.02.2024
Seit dem 29. Februar 2024 ist der Worringer Platz in Düsseldorf kein Ort der Begegnung mehr.
Das vor gut 20 Jahren mitten auf den Platz gesetzte Glashaus ist seit diesem Datum leer und abgesperrt. Bereits in den vergangenen Wochen konnte man einen, über die üblichen Beschädigungen hinaus, zunehmenden Verfall bemerken. Nun sind alle Scheiben eingeschlagen. Es scheint, als sei das damals ausgesprochene Bestreben, eine von Verkehrschaos eingefasste Betoninsel, in einer Stadt, die das Schlendern und Verweilen nur in auf Stadtkarten ausgewiesenen Einkaufsstraßen duldet, mit den Mitteln fortschrittlicher Architektur und kühner künstlerischer Eingriffe, zu einem Ort zu machen, an dem sich Menschen begegnen, sich in ihrer Verschiedenheit akzeptieren und sich auf den bereitgestellten „Stadtsofas“ in offene Gespräche verlieren, letztlich gescheitert. Die letzte Ausstellung in dem seit 2020 als „Palace“ betriebenen Glashaus war eine Installation von Janis Löhrer, Absolvent der örtlichen Kunstakademie. Zu sehen waren überdimensionierte Feinripp Unterwäschestücke, die an einer Leine aufgehängt den gesamten Pavillon ausfüllten. Besonders Nachts war das ein schönes Bild, wie die riesige weiße Unterhose und das ebenso reine Unterhemd sich strahlend abhoben, von der sie umgebenden Dunkelheit, die in Wirklichkeit aber keine Dunkelheit ist, sondern ein reges Treiben, in dem sich zuckende Schatten um aufleuchtende Flammen scharen. Dieses Bild ist visuell anregend, verweist jedoch auf eine bittere Realität und ein eklatantes Missverständnis.
Auf der einen Seite finanziert die Stadt Düsseldorf ein Ausstellungsprogramm in einem Glaskasten auf dem Worringer Platz, der laut Webseite „Reibungspunkt zwischen Wunsch und Wirklichkeit“ sein will, auf der anderen Seite genehmigt sie, als Eigentümerin des tatsächlichen Platzes, der ebenso ansässigen Pizzeria einen Zaun um ihren Außenbereich zu spannen und somit die unerwünschten Drogen- und AlkoholkonsumentInnen auf Abstand zu halten. Das Recht zur Ausübung sozialer Kontrolle hat die Stadt eben erst erfolgreich vor Gericht verteidigt. Die Klage der Künstlerin, deren begegnungsfördernden Sitzmöbel genauso von dem Zaun der Pizzeria eingeschlossen werden, somit also in keiner Weise mehr ihrer eigentlichen Funktion nachkommen können, wurde abgewiesen und auch im Berufungsverfahren entschied das Gericht dafür, dass die durch die künstlerische Gestaltung des Platzes erstrebte Funktion nicht erreicht werden konnte und somit in ihrer Gestalt auch nicht mehr schützenswert ist. Innerhalb der Stadtverwaltung ist man sich also schon seit längerem einig, dass der Worringer Platz vornehmlich Treffpunkt der Drogenszene ist und eine Durchmischung, wie auch immer diese Aussehen soll, nicht stattfinden wird, vielleicht auch gar nicht mehr gewünscht ist. Problemfälle an einem Ort zu bündeln, erhöht zwar ihre Sichtbarkeit, macht sie damit aber auch leichter beherrschbar. Das Team von Palace träumt jedoch immer noch davon, dass Kunst im öffentlichen Raum, vor allem dort wo man sich sonst nicht hintraut, soziale Transformation ermöglichen kann, idealerweise also der Künstler, die Cracksüchtige, der Sozialarbeiter und eine zufällig vorbeigekommene Intensivpflegekraft gemeinsam vor einem Kunstwerk innehalten und sich gegenseitig aus ihrem Leben erzählen. Diese für den Kulturbetrieb so typische Fantasie nutzt niemandem, am wenigsten den unter Sucht, Armut und Ausgrenzung leidenden Menschen, deren Situation in Förderanträgen und Pressetexten verharmlost und instrumentalisiert wird.
Dass sich Menschen begegnen, ihre Lebenswirklichkeiten miteinander teilen und dadurch zu einem gegenseitigen Verständnis kommen, bewirkt nicht die unfreiwillige Konfrontation mit zeitgenössischer Kunst und halbernstem Aktionismus, sondern simple, leider aber zunehmend aus der Mode gekommene sozialpolitische Maßnahmen wie die Sprengelpflicht, eine gleichmäßig in der Stadt verteilte Ausschreibung von sozialem Wohnungsbau oder auch das bedingungslose priorisieren von ÖPNV gegenüber Individualverkehr. Gleichzeitig aber sollte auch jede/r Einzelne verstehen, dass Menschen verschieden sind, grundverschieden sogar und manchmal auch besser ohne einander klarkommen. Sobald sich jedoch gesellschaftliche Spannungen zu sichtbaren Problemen entwickelt haben, sollte man deren Linderung nicht der freien Szene überlassen. Ich hoffe, dass die Stadt die Finanzierung dieses Projekts nun beendet. Nur so können auch die Organisatoren ihr andauerndes Missverständnis auflösen. Wenn nun aber doch wieder, auf Kosten des Kulturetats, die geübte Glaserei gerufen wird, so sollt ihr alle, vor dem Glashaus sitzend, mit Steinen werfen.